Hamburg – Wer durch die Waitzstraße im Hamburger Westen wandelt, wähnt sich rasch in einem Millionenspiel. Wo vor Jahresfrist noch Bio-Eis und Herrenpullover verkauft wurden, residiert jetzt ein Luxusmakler neben dem anderen.
Deren Offerten haben es in sich: Die Maisonettewohnung „Elbblick“ etwa, mit drei Zimmern, für gut eine Million Euro. Eine Jugendstilvilla mit sieben Zimmern ist für 1,85 Millionen Euro zu haben. Wer in den Stadtteilen Groß Flottbek, Othmarschen oder Blankenese eine schicke Immobilie erstehen will, kommt selbst mit einer Million Euro nicht weit. Sogar ein Bungalow „mit viel Potenzial“ im benachbarten Osdorf wird zu einem Verkaufspreis von 1,39 Millionen Euro feilgeboten.
Wer häufiger vorbeikommt, kann allerdings ins Grübeln kommen: Anders als noch im Sommer liegen einige Objekte scheinbar deutlich länger in den Schaukästen. Häuser und Wohnungen „mit Potenzial“, sprich starkem Umbau- und Renovierungsbedarf, für siebenstellige Summen scheinen keine Selbstgänger mehr zu sein.
Die Angebote werden zwar nicht datiert, doch einige verschwinden nach ein paar Wochen wieder aus der Auslage. Die Banderole „verkauft“ ist seltener zu sehen. Tut sich da etwas am Immobilienmarkt? Verliert der viel zitierte Boom vielleicht an Schwung? Zumindest im Luxussegment hat es den Anschein.
Marktteilnehmer haben jedoch eine andere Erklärung: Für Luxusimmobilien gelten andere Regeln als für das Massengeschäft. Villen, Nobelwohnungen und Landhäuser, so erläutern die Experten, erleben ebenfalls einen Boom – aber eben auf ihre eigene, besondere Art.
Die Unterschiede zwischen Villen und Massenhäusern
Das Geschäft mit hochpreisigen Premiumimmobilien, stimmen Makler überein, unterscheide sich in mehreren Punkten von der Vermarktung herkömmlicher Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser:
- Luxusimmobilien werden deutlich seltener als reine Kapitalanlageobjekte genutzt. Der größte Teil der Käufer will das Objekt selbst nutzen.
- Im Segment jenseits der Millionen-Euro-Grenze spielen Bankkredite eine deutlich geringere Rolle. Die Käufer bringen einen größeren Eigenkapitalanteil in die Finanzierung ein – entsprechend geringer ist der Einfluss der nach wie vor historisch niedrigen Hypothekenzinsen auf die Marktentwicklung. Käufer, die den aktuellen Zinstrend nicht so genau verfolgen müssen, lassen sich beim Kauf nicht so rasch zeitlich unter Druck setzen.
- Wer eine Million Euro oder mehr für sein neues Heim bezahlt, den größten Teil davon aus der eigenen Tasche, überlegt sich sehr genau, was er kauft. Genauer mitunter, als Erwerber in niedrigeren Preissegmenten, sagen Marktteilnehmer. „Bei Luxusimmobilien wird meist der eine richtige Käufer gesucht, der echte Liebhaber, für den bei dem Objekt alles stimmt“, so Frank Stolz, Leiter Neubau beim Hamburger Makler Grossmann & Berger. „Das geht oft nicht von heute auf morgen.“
- Nicht selten gehen Verkäufer auch mit sehr hohen – oft zu hohen – Preisvorstellungen in den Markt. Frei nach dem Motto: Mal schauen, ob die Summe einer bezahlt. Insbesondere in der aktuellen Boomphase dürften solche Fälle vermehrt auftreten. Die Folge: Bei solchen Immobilien dauert die Vermarktung besonders lange. Nicht selten wird das Angebot erfolglos zurückgezogen. So etwas passiert zwar auch am breiten Immobilienmarkt – im Luxussektor fällt es aber schwerer ins Gewicht, sagen Experten.
- Makler berichten, dass erfahrungsgemäß die Gebote potenzieller Käufer für ein Objekt im Laufe der Zeit nicht steigen, sondern sinken. „Wir haben festgestellt, dass das erste Gebot, das für eine Immobilie abgegeben wird, in den meisten Fällen später von anderen Interessenten nicht mehr getoppt wird“, sagt ein Makler zu manager magazin online. Auf der anderen Seite stehen dagegen Verkäufer, die beim ersten Kaufaspiranten nicht sofort einwilligen wollen, weil sie auf einen noch höheren Preis hoffen.
- Luxusmakler Björn Dahler aus Hamburg stellt fest, dass die Bedeutung der Eigentumswohnung in diesem Segment gegenüber dem Einfamilienhaus stark zunimmt. Zudem, so Dahler kürzlich gegenüber Journalisten, spielen Neubauten im Markt für Luxus-Eigentumswohnungen eine große Rolle.
Alles zusammen ergibt das ein Marktgeschehen, das sich vom breiten Immobiliengeschäft erheblich unterscheidet: Die Vermarktung von Luxusimmobilien dauert im Schnitt länger, und die Markt- und Preisentwicklung ist stärker von Angebot und Nachfrage und weniger von der Entwicklung der Hypothekenzinsen abhängig. Daran ändert auch der aktuelle Immobilienboom in Deutschland nichts.
Abschlüsse kommen zudem oft sehr individuell zustande: Ist der eine, der richtige Käufer für ein Millionenobjekt erst gefunden, so ist er nicht selten bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Schließlich hat auch er das Gefühl, das eine, möglicherweise lange gesuchte Objekt endlich gefunden zu haben. Ein einheitliches Preisniveau für eine Gegend oder eine Objektgröße zu ermitteln gilt daher im Luxusbereich als besonders schwierig.
Für zusätzlichen Preisauftrieb sorgt zudem die seit einigen Jahren allgemein große Nachfrage nach Immobilien – und zwar nach Auskunft von Experten im Luxussegment sogar noch stärker als im Rest des Marktes. „Bei Luxusimmobilien haben Sie immer eine besondere Knappheit des Angebots, weil wirklich erstklassige Lagen sehr beschränkt sind“, sagt Kai Enders, Wohnimmobilienvorstand bei Engel & Völkers.
„In Hamburg etwa gibt es nur eine bestimmt Zahl von Grundstücken mit Alsterblick. Doppelhaushälften im Speckgürtel dagegen, von denen aus die City in 20 Minuten zu erreichen ist, finden Sie zahlreiche.“ Laut Enders hat diese Angebotsenge in jüngster Zeit im Luxussektor für überproportional starke Preisanstiege gesorgt.
Und sie tut es noch. Zwar verliert der Boom Marktteilnehmern zufolge gegenwärtig stellenweise etwas an Dynamik. Ein Ende des Hypes stehe aber noch nicht bevor, heißt es. „Die Nachfrage ist nach wie vor groß“, sagt etwa Frank Stolz von Grossmann & Berger. „Zwar hat sich der Preisanstieg in den letzten Monaten ein wenig verlangsamt, ein Ende der Aufwärtsbewegung am Markt ist jedoch nicht in Sicht.“
Mal schauen, was geht: Experte warnt vor überzogenen Forderungen
Auch Luxusmakler Dahler erwartet nach den „überproportionalen Wertsteigerungen in den vergangenen Jahren“ in nächster Zeit ein Abflachen der Preiskurve. Gleichzeitig warnt Dahler vor Übertreibungen, ausgelöst vor allem durch überzogene Preisforderungen.
Insbesondere bei luxuriösen Großprojekten dauert die Vermarktung nach Angaben der Experten mitunter lange. Denn in diesen Fällen müssen gleich mehrere potente Käufer auf einen Schlag und engem Raum gefunden werden – und die Objekte bieten zum Teil lediglich eine eingeschränkte Individualität.
Ein Beispiel könnten das Projekt „Sophienterassen“ im vornehmen Hamburger Stadtteil Harvestehude sein. Direkt an der Alster errichtet die Immobilienfirma Frankonia Eurobau ein edles Stadtquartier mit einem breiten Spektrum verschiedener Wohnangebote, von der 40-Quadratmeter-Singlewohnung bis zur mehrgeschossigen Stadtvilla. Beobachtern zufolge geht der Verkauf der mehr als hundert Einheiten lediglich schleppend voran.
Die Bauherrin Frankonia gibt sich jedoch zufrieden. Zwar habe sich der Bau wegen der Wirtschaftskrise um eineinhalb Jahre verzögert. Die Verkaufsquote der Objekte liege mit insgesamt etwa 50 Prozent jedoch im Plan, so eine Sprecherin gegenüber manager magazin online.
Neu errichtete Stadthäuser und Parkvillen etwa seien bereits zu etwas mehr als 70 Prozent verkauft, was „absolut im Soll“ liege. Beim Sanierungsprojekt „Stadtpalais“ seien zudem bereits „sehr gute 30 Prozent“ an den Mann gebracht.
Frankonia-Chef Uwe Schmitz distanziert sich zudem explizit vom Boom-getriebenen Geschäft im Luxussegment, wo Käufer mitunter bereit seien, nahezu jeden Preis zu zahlen. Kunden der Frankonia kauften vielmehr ausschließlich Immobilien, die sich rechneten und wertstabil seien, sagte Schmitz kürzlich in einer Presserunde.
Abzuwarten bleibt, wie lange der Sonderboom der Luxusvillen tatsächlich noch weitergeht. Denn je höher der Kaufpreis, desto schwieriger wird es, auf die eingezahlte Summe bei einer fremdgenutzten Immobilie noch eine ordentliche Rendite zu erzielen.
Einer Aufstellung der Immobilienberatung Bulwiengesa zufolge beträgt der Anteil dieses Segments am Gesamtmarkt etwa 2 bis 3 Prozent. Viele private Käufer investieren in Luxuswohnungen aus Sorge vor Inflation oder wegen der Euro-Schuldenkrise, so Bulwiengesa-Vorstand Andreas Schulten.
Zumindest die Euro-Krise scheint sich in den vergangenen Monaten etwas beruhigt zu haben. Das könnte am Luxusmarkt für preisliche Entspannung sorgen.
Quelle: Manager Magazin