Im Immobilienboom steigt auch das Interesse privater Anleger an Zwangsversteigerungen. Das Angebot notleidender Objekte nimmt zwar ab, und die Auktionspreise steigen – wer richtig vorgeht, kann aber nach wie vor im Amtsgericht ein Schnäppchen machen. manager magazin online sagt, wie.

Hamburg – Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten: Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland interessieren sich immer mehr Immobilienkäufer für Zwangsversteigerungen. Lange war dieser Markt vor allem für Profis interessant: für Banken, geschlossene Fonds und Unternehmen, die sich auf Zwangsversteigerungsobjekte spezialisiert haben.

Sie ersteigerten die unter den Hammer gekommenen Immobilien günstig, renovierten sie und konnten sie mit guten Gewinnen wieder veräußern. Inzwischen aber hat der Markt sich gewandelt. Die Konkurrenz ist härter geworden. Günstige Gelegenheiten, bei denen sich die verkaufsnotwendigen Rendite erzielen lassen, sind deutlich seltener geworden.

„Wohnungen bis zu einem Volumen von fünf Millionen Euro schnappen uns inzwischen vermögende Einzelpersonen weg“, ist bei den Profis seit der Finanzkrise immer häufiger zu hören. Denn mit der neu entfachten Liebe zu Immobilien als sichere Geldanlage kommen immer mehr Privatleute ins Spiel. Einen wirklichen Nachteil gegenüber den Profis haben sie bei den Versteigerungen nicht. Die gesetzlichen Regeln sorgen dafür, dass die Chancen gleich verteilt sind. Es zählt immer das höchste Gebot.

Ein Kinderspiel ist eine Zwangsversteigerung für Laien dennoch nicht. Es geht vor allem um viel Geld. Oft stehen schwere Schicksale dahinter. Allein 2011 wechselten nach Informationen des Internetportals Zwangsversteigerungen.de 49.947 Immobilien die Eigentümer. In den vergangenen acht Jahren summierten sich die versteigerten Objekte auf 430.000 – relativ gleichmäßig zu je einem Drittel auf Eigentumswohnungen, Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Gewerbegrundstücke/Wohn- und Geschäftshäuser/Grundstücke verteilt.

Schnäppchen werden seltener

Vor dem Immobilienboom konnten sich Zwangsversteigerungen für den neuen Eigentümer durchaus lohnen. In der Regel erfolgte dann der Zuschlag 10 bis 30 Prozent unter dem geschätzten Verkehrswert der Immobilie. Manchmal waren auch 50 Prozent drin.

Inzwischen sieht das Bild vielerorts anders aus, vor allem in Immobilienhochburgen wie München, wo das Angebot knapp ist und die Nachfrage explodiert. „Die Zeit der Schnäppchen ist hier schon seit zweieinhalb Jahren vorbei“, bestätigt Rechtspflegerin Annette Kramny vom Amtsgericht München. Zweite Versteigerungs- Termine müssten kaum angesetzt werden. „Bei uns geht fast alles im ersten Termin weg, es sei denn es gibt ernstere Mängel.“

Und die erzielten Preise sind im wahrsten Sinne oft der Hammer: 2011 wurden in München bei Zwangsversteigerungen durchschnittlich 97,71 Prozent des vom amtlichen Gutachter festgestellten Verkehrswertes erzielt, heute liegen die Preise weit darüber. Für die hoch im Kurs stehenden Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen erziele man häufig deutlich über 110 Prozent, so Kramny. Zum Teil sind sogar 170 Prozent drin.

Zudem hat sich noch etwas geändert: Waren lange nur zentral gelegene Immobilien beliebt, drängen Interessenten nun auch – mangels Angebot – weiter ins Umland – ein Trend den Makler auch beim klassischen Immobilienkauf zunehmend feststellen.

2. Teil: Vorsicht, der Zuschlagspreis ist nicht der Endpreis

Etwas anders ist die Lage beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern. Richter Michael Aschoff, Sprecher des Amtsgerichtes in Schwerin bestätigt zwar ebenfalls, dass rund 80 bis 90 Prozent der Häuser bereits bei dem ersten Termin versteigert werden. Anders als in München allerdings seien es meist nur Renditeobjekte wie Mehrfamilienhäuser, die deutlich über dem Verkehrswert versteigert würden.

Das Gros der Immobilien, also Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, würde selten über dem Verkehrswert verkauft, so Aschoff. Zudem seien vor allem Objekte in der Stadt gefragt. Auf dem Land, so der Richter, sei es deutlich schwieriger gute Preise für den Verkäufer zu erzielen.

Gelingt dennoch ein Schnäppchen, darf nicht vergessen werden, dass zum Zuschlagspreis noch die Gerichtskosten für die Zwangsversteigerung, die Grunderwerbsteuer und die Kosten für die Eintragung ins Grundbuch kommen. Und auch die vierprozentige Verzinsung in der Zeit vom Zuschlag bis zum Verteilungstermin muss miteinkalkuliert werden. Ebenfalls üblich ist oft eine Sicherheitsleistung in Höhe von 10 Prozent des Verkehrswertes. Sie muss dann sofort beim Bietertermin beglichen werden.

Ist der Tag der Versteigerung gekommen, sollten die Interessenten pünktlich sein, so der Rat vom Amtsgericht. Am Anfang stellt der Rechtspfleger, der die Versteigerung leitet, fest, ob sich noch Änderungen ergeben haben. Auch das Mindestgebot, das sogenannte „geringste Gebot“, wird erst mit Beginn der Versteigerung festgelegt.

Nach dem Zuschlag gibt es kein Zurück mehr

Laut Zwangsversteigerungsgesetz müssen beim ersten Termin mindestens 5/10 des gutachterlich festgestellten Verkehrswertes erreicht werden, damit der Zuschlag erteilt werden kann. Bei Geboten zwischen 5/10 und 7/10 des Verkehrswertes kann auch der Gläubiger per Gesetz die Versagung des Zuschlags beantragen.

Sind die administrativen Anforderungen geklärt, gibt der Rechtspfleger das Startsignal und es können mündlich Gebote abgegeben werden. Mitbieten kann jeder, der sich durch seinen gültigen Personalausweis oder Reisepass ausweisen kann.

Oft geht es hoch her, für Fragen bleibt da nicht immer Zeit, so Rechtspflegerin Kramny. Mindestens 30 Minuten muss eine Versteigerung nach dem Willen des Gesetzgebers dauern, bevor der Hammer fallen darf. An guten Standorten schaukeln sich die Bieter aber oft auch schnell hoch.

Die Münchner Versteigerungsexpertin rät daher den Kaufinteressenten, sich wirklich genau zu überlegen, wie weit sie beim Bieten mitgehen wollen. Die Gefahr, deutlich über das Limit zu bieten, sei groß. Bei Versteigerungen entwickele sich durchaus eine gewisse Eigendynamik von der sich viele mitziehen lassen. Letztendlich geben sie dann oft zu viel aus.

Denn ist der Hammer erst gefallen, gibt es kein Zurück mehr. Dann ist der Meistbietende sofort – anders als beim klassischen Immobilienkauf, wo der Gang zum Notar zwingend notwendig ist – Eigentümer der Immobilie. Bezahlt werden muss bis zum Verteilungstermin, der wird in der Regel zwei bis drei Monate nach dem Zuschlag anberaumt. An diesem Termin wird das durch die Zwangsvollstreckung erbrachte Geld an die Gläubiger verteilt.

3. Teil: Käufer sollten sich vorab umfassend informieren

Die Katze im Sack brauchen die Bieter dennoch nicht zu kaufen, denn das Zwangsversteigerungsgesetz schreibt vor, dass, sobald ein Versteigerungstermin veröffentlicht ist, jeder Interessierte den Grundbuchauszug und die Anmeldungen, also Forderungen der Gläubiger, im Amtsgericht einsehen darf. Benötigt wird dazu nur ein Aktenzeichen.

Diese Möglichkeit sollten Interessenten unbedingt wahrnehmen, empfiehlt Kramny, sonst könnte es schnell ein böses Erwachen geben. Der Grund: Hat der Käufer den Zuschlag erhalten, gibt es kein Zurück mehr, auch wenn sich später Baumängel oder Altlasten herausstellen. Garantie oder Gewährleistung, wie das bei Neubauten üblich ist, gibt es bei Zwangsversteigerungen nicht.

Was hilft? Empfehlenswert ist die Einsichtnahme in das Grundbuch selbst und zwar nicht nur in die dem Wertgutachten meist beigefügten Teilauszüge, sondern in den kompletten Grundbuchauszug mit den Abteilungen II und III. Die in „Abteilung III“ eingetragenen Belastungen brauchen die Interessenten dabei nicht wirklich erschrecken, weil sie meist mit dem Zuschlag erlöschen.

Anders sind die in Abteilung II unter sonstige Rechte eingetragenen Belastungen des Objekts. Das können beispielsweise Wohn- und Wegerechte sein. Im Gegensatz zu den Rechten in Abteilung III können diese Rechte schwerer abgelöst werden. Potenzielle Ersteigerer, fachlich korrekt Ersteher, müssen daher entscheiden, ob ihnen das Objekt das wert ist.

Schnäppchen werden seltener

Neben der Einsicht ins Grundbuch sollten Interessenten vor allem aber einen persönlichen Blick auf die Immobilie und die Umgebung werfen. Ein Recht auf Innenbesichtigungen gibt es allerdings nicht. Schuldner und Mieter können Besichtigungswünsche ablehnen. Bisweilen kann der Zwangsverwalter sie aber dennoch möglich machen.

Trotz einer gefühlten Zunahme der Versteigerung durch die Wirtschaftskrise, bestätigen Experten wie Kramny und Aschoff, dass die Zahl der Zwangsversteigerungen in der Praxis rückläufig ist. Das hat zwei Gründe: Zum einen können viele Schuldner dank der günstigen Zinsen derzeit gut umfinanzieren, zum anderen gibt es insgesamt eine hohe Nachfrage bei Immobilien an vielen Standorten.

Spielen die Banken und die Gläubiger mit, kann daher manches Objekt bereits vor dem Versteigerungstermin im sogenannten freihändigen Verkauf den Eigentümer wechseln. Ist das Objekt allerdings sehr hoch belastet, bleibt meist nur die Versteigerung, da Käufer eine weitgehend lastenfreie Immobilie suchen. Das lässt sich nur über eine Zwangsversteigerung erreichen.

Doch auch wenn Schnäppchen seltener geworden sind, für die Schuldner und Gläubiger ist die momentane Entwicklung vorteilhaft. Denn durch die höheren Preise bei den Zwangsvollstreckungen können zumindest an den guten Standorten immer häufiger alle Gläubiger bezahlt werden. Mitunter bleibt sogar für den Schuldner ein Überschuss.

Quelle: Manager Magazin